Nun dauert es keine Woche mehr. bis zum Abflug. Eigentlich sollte ich mich ja daran gewöhnt haben. Es gab Zeiten, da war der Flug nach Hurghada für mich etwa ähnlich aufregend, wie in die U-Bahn zu steigen. Doch diesmal ist es etwas anderes. In dem einen Jahr seit meinem letzten Besuch, hat sich das Land komplett verändert, und wohin die Veränderungen führen werden, weiß niemand so recht einzuschätzen. Ich bin richtig aufgeregt und zappelig. Ist das etwa Reisefieber? Heute hab ich bei der Fluglinie noch einmal Gepäck dazu gebucht, weil ich für drei Wochen ja niemals mit 20 Kilo auskommen werde. Schon jetzt habe ich Angst davor, was ich alles vergessen haben werden könnte… oder so.
Natürlich hat sich in Ägypten im Allgemeinen und in Hurghada im Besonderen auch früher schon vieles rasend schnell verändert. Zum Beispiel sind in Hurghada lauter gleich aussehende hellbraune Wohnblöcke mit verschnörkelten Balkonen aus dem Boden geschossen. Diese neuen Siedlungen wurden in stupider Eintönigkeit Mubarak I, Mubarak II, Mubarak III genannt. Am Ende sind sie bei Mubarak XII oder Mubarak XIII gelandet. Was mich natürlich brennend interessiert: Wie hat man dieses Namensproblem inzwischen gelöst? Zugegeben, es gibt sicher Wichtigeres. Aber mich treibt die Frage wirklich um! Aber es geht letztlich ja um mehr als um Mubaraks Baracken, sozusagen der Mubaracken. Es geht darum, wie es in dem Land weitergeht.
Vor ein paar Tagen unterhielt ich mich mit einem Iraker über die Situation im gesamten arabischen Raum, über all die Veränderungen. Was er zu mir sagte, schockierte mich ein wenig, und wäre es aus einem europäischen Munde gekommen, so hätte man sicherlich über Rassismus sprechen können. Er meinte, dass es wohl nirgendwo mit der Demokratie klappen würde, weil es am Ende immer auf einen Diktator hinauslaufen würde – egal in welchem Land Arabiens. Zugegeben, aus ihm sprach auch die Frustration über die Zustände in seinem eigenen Land nach dem Abzug der Amerikaner. Tatsächlich wird im Irak, wie auch in Syrien, immer wieder über einen Bürgerkrieg spekuliert. Auch die monatelange Beseitigung des Gaddafi-Regimes in Libyien war ja nichts anderes als ein Bürgerkrieg.
Verglichen damit ist es in Ägypten, trotz der Unruhen in Kairo und der neuerlichen Toten ziemlich friedlich zugegangen. Von einem Bürgerkrieg ist Ägypten bei allen Emotionen natürlich weit entfernt. Am Ende des Prozesses wird vielleicht eine Lösung stehen, die die ganze Welt überraschen wird und dann aber eine wirklich typisch ägyptische sein wird, die den Pragmatismus und die Emotionalität widerspiegelt. Vielleicht ist es am Ende gar keine Demokratie in unserem Sinne und trotzdem ein eher freiheitliches Regime.
Wenn der irakische Gesprächpartner Recht hat, dann würde ich Ägypten am ehesten wieder einen Herrscher wie Anwar al Sadat wünschen. Der hatte einerseits die Zensur abgeschaft und demokratische Rechte gestärkt, andererseits aber in der ägyptischen Verfassung den Satz: „Die Scharia ist eine Quelle des Rechts“ in „Die Scharia ist die Quelle des Rechts“ geändert. Diese Widersprüchlichkeit steht irgendwie für das Land.
Einer der bekanntesten ägyptischen Herrscher war Salah ed Din, den die Europäer Saladin nennen. Er war selbst war gar kein Ägypter sonder Iraker(!). Und der große Saladin hatte sich einst vordergründig wenig schmeichelhaft über seine Ägypter geäußert. „Sie sind lügnerisch und betrügerisch“, meinte er und fügte hinzu: „Sie lachen den ganzen Tag und machen aus dem Leben ein Fest. Dafür liebe ich die Ägypter.“ Das lässt doch hoffen.