In all den Jahren, in denen ich nach Ägypten komme, hat mich stets die Dynamik beeindruckt, mit der sich alles ändert. Doch um ehrlich zu sein, waren das dann doch eher äußerliche Dinge. Am Roten Meer wurden in Rekordzeit Hotels und Wohnblocks hochgezogen. Aus Gassen wurden Boulevards, in der Wüste gab es plötzlich Autobahnen (streckenweise sogar beleuchtete). Innerhalb von zwanzig Jahren wurde aus dem kleinen Fischerdorf Hurghada eine Stadt mit 60 Kilometern bebauter Küstenlinie.
Diesmal sind die Veränderungen doch ganz andere. In den ersten zwei Tagen in Ägypten, habe ich sehr viel Skepsis gehört – von den Europäern. Es sind genau die Europäer, die vor einem Jahr mit den Ägyptern die Revolution gefeiert haben. Die Situation scheint mir sehr ambivalent. Einerseits ist da die Genugtung darüber, dass das alte Regime nun weg ist, andererseits ist da die Unsicherheit darüber, was nun kommt. Das eigentliche Problem akut aber ein ganz anderes. „Es sind die kleinen Moslembrüder und die kleinen Salafisten“, sagt Thomas. Tatsächlich gibt es nun einige, die sich ganz bewusst mit den Europäern, die im Land leben, anlegen, weil sie glauben, ihnen nun vermeintliche Pfründe streitig machen zu können. Im Tourismus tätige Mittelständler haben die nicht ganz unbegründete Angst, nun verdrängt zu werden. Die Argumentation ist dabei ebenso offen wie absurd. „Ihr schafft das Geld hier raus, das wir selbst verdienen könnten“. Sie vergessen dabei, dass die angeblich so raffgierigen Europäer im Tourismus nun ja ganz offensichtlich drei bis vierfach höhere Löhne bezahlen, als Ägypter oder der Staat in anderen Wirtschaftszweigen.
Touristen dagegen spüren – wenigstens hier in Hurghada – wenig, außer, dass die Stadt erschreckend leer ist – und die Preise deutlich in die Höhe gegagangen sind. Das allerdings ist ein durchaus bekanntes Phänomen, das so manchen Wirtschaftswissenschaftler die Haare raufen lässt. Schon früher war es so, dass die Taxifahrer und die Shops immer dann besonders viel von den Touristen verlangt haben, wenn die Stadt leer war. Gestern fuhr ich mit dem Taxi vom Arabia Hotel zum Le Pacha. Der Fahrer wollte für die Tour 30 LE (ägyptische Pfund) vor einem Jahr war die Fahrt noch für 10 zu haben. Ich erklärte ihm, dass 30 LE am helllichten nachmittag dann doch ziemlich viel seien. Seine Antwort: „Ich steh den ganzen Tag vor dem Hotel und keiner will mit mir fahren, weil keine Touristen in der Stadt sind.“ Diese verblüffende Ehrlichkeit ist dann auch wieder typisch ägyptisch.