Einsichten

Heute hatte ich ein Interview, auf das ich sehr lange gehofft habe: Mit Samih Sawiris, Sohn eines der größten Bauunternehmer des Landes, Absolvent der TU in Berlin und Gründer von El Gouna. Ich halte ihn für die logische Fortsetzung und vor allem Weiterentwicklung des von mir hoch geschätzten Mohammady Hwaidak, eine Einschätzung im Übrigen, bei der mir Samih Sawiris heftig widersprochen hat. Trotzdem bleibe ich dabei. Als Mohammady Hwaidak in der 80er Jahren begann, Hurghada zu einer riesigen Fremdenverkehrsmetropole zu entwickeln, holte er sich ganz bewusst die eigene Konkurrenz in den Ort, mit der Begründung, es sei wichtig, das Geld im Lande zu halten und nicht ins Ausland abfließen zu lassen. Zwar wuchs der Ort explosionsartig, aber Mohammady verlor sehr schnell die Kontrolle über die Entwicklung der Stadt. Samih dagegen behielt in El Gouna die ganze Kontrolle. Seine Motivation ging einen entscheidenden Schritt weiter. Er wollte nicht einfach nur das Geld im Land halten und nebenbei für Arbeitsplätze sorgen. Ihm ging es auch darum, Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, Chancen zu verbessern und Wohnungseigentum auch für die weniger privilegierten Ägypter zu ermöglichen. So wurde aus einem kleinen Tourismuszentrum eine florierende Stadt mit 25.000 Einwohnern, und das alles innerhalb von 20 Jahren. Zuvor gab es an diesem Ort einfach nur – Sand. Auch ich habe zu jenen gehört, die noch Mitte der 90er Jahre El Gouna als Retortenstadt verspottet haben. Inzwischen habe ich meine Meinung allerdings gründlich revidiert. Gut – es liegt ja auch auf der Hand, dass ein Disneyland-Themenpark Ägypten keinen Berliner TU Campus braucht. Den aber gibt es in El Gouna, genau so, wie ein sehr gelobtes Krankenhaus, mehrere Schulen und einer Hotelfachschule. Der Tourismus stellte sozusagen nur den Nukleus für eine völlig neue Stadt dar. Samih meint, wenn es in Ägypten 1000 El Gounas geben würde – und der Platz ist da – würde aus dem Staat ein stabiles, demokratisches und florierendes Land. Im Süden jedoch, wo immer neue Hotelstädte hochgezogen werden, gilt eher Hurghada denn El Gouna als Beispiel. Samih hingegen ist unverzagt und baut ähnliche Modellstädte in Marokko, dem Oman, auf Mauritius, in Rumänien und – man höre und staune – in der Schweiz. Vielleicht wird ja unter einer neuen Regierung sein Beispiel doch noch Schule machen, egal, wer an die Macht kommt.

Übrigens hat Samih auch einen Fußballverein in El Gouna gegründet, den er in wenigen Jahren von der untersten in die oberste Liga geführt hat. El Gouna hat gestern gegen El Masri leider 0:1 verloren.

Angekommen

In all den Jahren, in denen ich nach Ägypten komme, hat mich stets die Dynamik beeindruckt, mit der sich alles ändert. Doch um ehrlich zu sein, waren das dann doch eher äußerliche Dinge. Am Roten Meer wurden in Rekordzeit Hotels und Wohnblocks hochgezogen. Aus Gassen wurden Boulevards, in der Wüste gab es plötzlich Autobahnen (streckenweise sogar beleuchtete). Innerhalb von zwanzig Jahren wurde aus dem kleinen Fischerdorf Hurghada eine Stadt mit 60 Kilometern bebauter Küstenlinie.

Diesmal sind die Veränderungen doch ganz andere. In den ersten zwei Tagen in Ägypten, habe ich sehr viel Skepsis gehört – von den Europäern. Es sind genau die Europäer, die vor einem Jahr mit den Ägyptern die Revolution gefeiert haben. Die Situation scheint mir sehr ambivalent. Einerseits ist da die Genugtung darüber, dass das alte Regime nun weg ist, andererseits ist da die Unsicherheit darüber, was nun kommt. Das eigentliche Problem akut aber ein ganz anderes. „Es sind die kleinen Moslembrüder und die kleinen Salafisten“, sagt Thomas. Tatsächlich gibt es nun einige, die sich ganz bewusst mit den Europäern, die im Land leben, anlegen, weil sie glauben, ihnen nun vermeintliche Pfründe streitig machen zu können. Im Tourismus tätige Mittelständler haben die nicht ganz unbegründete Angst, nun verdrängt zu werden. Die Argumentation ist dabei ebenso offen wie absurd. „Ihr schafft das Geld hier raus, das wir selbst verdienen könnten“. Sie vergessen dabei, dass die angeblich so raffgierigen Europäer im Tourismus nun ja ganz offensichtlich drei bis vierfach höhere Löhne bezahlen, als Ägypter oder der Staat in anderen Wirtschaftszweigen.

Touristen dagegen spüren – wenigstens hier in Hurghada – wenig, außer, dass die Stadt erschreckend leer ist – und die Preise deutlich in die Höhe gegagangen sind. Das allerdings ist ein durchaus bekanntes Phänomen, das so manchen Wirtschaftswissenschaftler die Haare raufen lässt. Schon früher war es so, dass die Taxifahrer und die Shops immer dann besonders viel von den Touristen verlangt haben, wenn die Stadt leer war. Gestern fuhr ich mit dem Taxi vom Arabia Hotel zum Le Pacha. Der Fahrer wollte für die Tour 30 LE (ägyptische Pfund) vor einem Jahr war die Fahrt noch für 10 zu haben. Ich erklärte ihm, dass 30 LE am helllichten nachmittag dann doch ziemlich viel seien. Seine Antwort: „Ich steh den ganzen Tag vor dem Hotel und keiner will mit mir fahren, weil keine Touristen in der Stadt sind.“ Diese verblüffende Ehrlichkeit ist dann auch wieder typisch ägyptisch.