Es ist derzeit schon eine Achterbahnfahrt. Einerseits feiern die Ägypter ihre freien Wahlen wie ein großes Volksfest, andererseits gab es jetzt in Kairo wieder blutige Straßenschlachten. Erst gestern hab ich wieder die hier in Deutschland vorherrschende Meinung gehört, dass das Militär die Macht gar nicht abgeben will und das mit den Wahlen ja doch nicht so ernst gemeint sei.
Wie so vieles ist auch diese Vorstellung mit dem Abstand von 3.500 Kilometern ein wenig eindimensional. Ich glaube ja, dass die Sache ganz anders liegt. In den letzten Wochen habe ich den Eindruck gewonnen, dass den Militärs an der Macht gar nicht so viel liegt und an der Verantwortung erst recht nicht. Was das ägyptische Militär allerdings um jeden Preis verteidigen will, sind die unglaublich großen Privilegien. Wer in Ägypten nicht im Tourismus Geld verdient, der kann in der Armee eine Menge Knete machen. Es geht ja nicht nur um die tollen Clubs am Roten Meer und die fantastisch ausgestatteten Krankenhäuser, neben denen staatliche Krankenhäuser wie schlechtere Feldlazarette wirken. Es scheint ja so, als sei der ganze industrielle Bereich in Ägypten nur erfunden worden, um Offiziere zu alimentieren. Und wer es da nicht schafft, für den findet sich in der Verwaltung noch immer ein Platz. So muss zum Beispiel jeder Gouverneur einer Grenzprovinz ein General oder ehemaliger General sein. Das wäre etwa so, wie wenn in Deutschland die Bundeswehr Anspruch auf die Ministerpräsidentenposten von Bayern, Baden-Württemberg, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachen erheben würden. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass viele dieser Gouverneure ihr Amt lediglich als Versorgungsposten begriffen haben.
Ginge es den Militärs tatsächlich um wirkliche politische Macht, dann hätten sie in dem zu Ende gehenden Jahr mit Sicherheit ganz anders reagiert, nämlich viel schneller und entschlossener. Bislang scheint es mir aber so, dass sie hin und her lavieren und eigentlich nur hoffen, dass die so schnell wie möglich aus dem Schlamassel wieder herauskommen. Verantwortung – und ich meine wirkliche politische Verantwortung – ist ihre Sache wohl eher nicht. Es geht um Geld und viele liebgewonnene Privilegien.
Das wird vielleicht sogar das größte Problem sein, egal, ob nun Moslembrüder oder Säkulare an die Regierung kommen. Wie macht man den Militärs klar, dass sie sich aus dem zivilen Bereich zurückziehen müssen? Sollen Sie ihre Clubs und Krankenhäuser doch behalten. Aber aus den Unternehmen und der Verwaltung müssen sie raus. Das würde eine Menge Arbeitsplätze schaffen und vor allem den doch sehr desolaten Mittelstand stärken.
Stimmt 100%. Das Budget des Militärs ist 25% des Staatsbudgets und es darf nicht mal vom Parlament besprochen werden. Vor ein paar Wochen hat der Militär 1 Milliarde U$ wegen der Regierung wegen einer Finanzkrise geliehen! Es ist ein Staat im Staat!!